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Sonntag, 11. April 2010

Reich und Arm / Unsere Arbeit vor Ort /Antwort auf ein Kommentar

Ist man gerade auf dem Flughafen von Phnom Penh angekommen und schaut man sich auf dem Weg in die Stadt so die Autos an, so kann man erst gar nicht glauben, dass dies eines der ärmsten Länder der Welt sein soll. Die Straßen sind voll von Lexus Geländewagen (die übrigens auf der Seite des Autos noch fett Lexus stehen haben – sieht total lächerlich aus) und anderen dicken Karren. Natürlich sind auch unheimlich viele Tuk Tuks (hier, anders als in Indien, meistens umgebaute Motorräder mit einem Anhänger) unterwegs, jedoch fragt man sich wenn man die hohe Anzahl an teuren Autos sieht, warum es diesem Land so schlecht gehen soll. Für hohe Anzahl der teuren und auch sehr protzigen Karren gibt es meiner Ansicht nach folgende Erklärungen:
• Schlechte Verteilung des Wohlstands zwischen den Schichten und den Städten und Provinzen
o Bedingt durch Korruption und Nepotismus
o Bedingt durch eine Turbokapitalismusmentalität
• Int. Hilfsorganisationen

Es ist ja bekannt, dass Kambodscha eines der korruptesten Länder der Welt ist und das scheint auch wirklich so zu sein. Das fängt eigentlich schon im Kleinen an, wie ich in meinem letzten Beitrag ja schon einmal erwähnt habe. Willst Du was haben und willst Du es einigermaßen zügig, dann ist es besser ein bisschen Geld zu geben. Das ist auch in solchen Ländern nichts besonderes und durchaus üblich, doch in Kambodscha scheint es sich bis in alle Bereiche der Wirtschaft und Politik festgesetzt zu haben. So geschieht es, dass jeder, der eine einflussreiche Stelle inne hat, seine Machtstellung ausnutzen und so in die eigene Tasche wirtschaften kann. Ich schreibe hier bewusst kann, denn ich möchte nicht jedem einflussreichem Kambodschaner Korruption unterstellen. Jedoch ist es doch sehr verführerisch Geld anzunehmen, in einem System, in dem Korruption kaum bekämpft und weitestgehend toleriert und als normale Praxis angesehen wird. Die Vetternwirtschaft ist auch ein großes Problem, denn wer hier Einfluss hat, der platziert seine Freunde und Familie auch in die hohen gut bezahlten und angesehenen Positionen. Die Frau des Premier Ministers, dem übrigens auch drei der größten Banken Kambodschas gehören und einer der reichsten Männer des Landes ist, ist bspw. gleichzeitig Präsidentin des kambodschanischen Roten Kreuzes. Beziehungen sind hier alles und der Schlüssel für eine steile berufliche Karriere. Korruption und Nepotismus können einer Gesellschaft und Volkswirtschaft immensen Schaden zufügen und sind meiner Ansicht nach eine Erklärung, warum es hier viele sehr Reiche gibt, die zunehmend Reicher werden und den Armen, nicht so wirklich geholfen werden kann, aus ihrer Misere herauszukommen. Die unzureichende Verteilung des Wohlstandes ist ein Phänomen, das besonders auffällt wenn man mal aufs Land fährt. Hat man in der Stadt ein schier unerschöpfliches Angebot von Konsumgütern, so findet man auf dem Land das wahre Kambodscha und die Erklärung warum es einer der ärmsten und unterentwickeltsten Länder ist. Hier gibt es eine schlechte Infrastruktur (schlechte Straßen, kaum Brücken hauptsächlich Fähren, die den Mekong überqueren, keinen öffentlichen Nahverkehr etc.), keine richtige Kanalisation und keine flächendeckende Stromversorgung. Das Leben der Menschen ist geprägt von Landwirtschaft und Fischerei und ihr Tageseinkommen, kann man in Phnom Penh mal schnell für einem Milchkaffee ausgeben, der übrigens in manchen Cafés genauso viel wie ich Deutschland kostet. Natürlich ist auch in Phnom Penh die Armut zu sehen, denn wenn man mal genau hinschaut, sieht man die Menschen, die durch die Straßen ziehen und Papier, Dosen und Plastikflaschen sammeln, um damit ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Auch ein Tuk Tuk Fahrer, der zwar über ein Motorrad mit Anhänger verfügt, kommt in Phnom Penh nicht zu viel Geld. Viele haben Familie auf dem Land und arbeiten in Phnom Penh und verdienen wenn es hoch kommt zwischen 10-12 Dollar am Tag. Nicht ausreichend, um eine Schlafmöglichkeit in Phnom Penh zu finanzieren – so müssen sie oft in ihren Tuk Tuks schlafen. Ein anderes Beispiel für die schlechte Verteilung des Wohlstandes ist folgendes: Ein Lehrer an einer öffentlichen verdient hier zwischen 70 -150 Dollar im Monat, wobei ein Dozent einer Privatuni für eine Stunde bis zu 200 Dollar verdienen kann.
Ja und da wären da auch noch die int. Hilfsorganisationen, die mit den dicken Karren durch Phnom Penh fahren, meistens mit Fahrer, denn der Verkehr hier ist ja zu chaotisch für die feinen Herren. Kaum zu verstehen, dass so intelligente Menschen, es nicht hinbekommen, sich an den hier vorherrschenden Verkehr zu gewöhnen. Das Büro der Unesco in Phnom Penh ist übrigens, mit der Stadtvilla des Premiers, einer der schönsten und bestgelegensten (direkt ggü. des Nationalmuseum und in unmittelbarer Nähe zum Königspalast) Gebäude in der Hauptstadt. Eine aufwendig restaurierte Kolonialvilla, die charakteristisch für die anderen Hilfsorganisationen ist. Diese sind nämlich vornehmlich in einem bestimmten Stadtviertel (Boeung Keng Kang) zu finden, wo auch ihre Mitarbeiter leben. Schöne Villen mit hohen Zäunen und Stacheldraht, sollen Eindringlinge fernhalten und erwecken der Eindruck: ihr müsst draußen bleiben, hier wohnt eine bessere Klasse. Kein Wunder, dass auch dieses Verhalten auf die kambodschanische Oberschicht abfärbt, denn auch sie wollen zeigen, dass sie es zu etwas gebracht haben, in einem der ärmsten Länder dieser Welt. In Phnom Penh sind daher sehr viele verhältnismäßige teure Cafés und Restaurants , die hauptsächlich von Mitarbeitern int. Hilfsorganisationen und Touristen besucht werden, zu finden. Aber natürlich, und das meine ich jetzt nicht ironisch, muss man auch einem Entwicklungshelfer einen zumindest vergleichbaren Lebensstandard bieten, den er von seinem Heimatsland gewohnt ist. Jedoch muss immer eine Verhältnismäßigkeit, auch bei den Gehältern (meistens zwei Gehälter eines in Deutschland und eines in Kambodscha, das nicht versteuert werden muss), vorliegen und Idealismus sollte nicht entlohnt werden müssen.
Eine andere interessante Tatsache ist die, dass viele sogenannte Entwicklungsprojekte wie bspw. der Bau von Straßen, Brücken, Krankenhäusern etc., die ja unheimlich wichtig für das Land sind, vom Ausland finanziert und vor allem umgesetzt wird. So wird gerade eine Brücke über den Mekong gebaut, die von China finanziert wird und auch ausschließlich von chinesischen Arbeitern gebaut wird. Das ist natürlich nicht die Regel, viele Projekte werden zwar von Einheimischen umgesetzt, jedoch ist es auffällig, dass das Land Kambodscha sich etwas auf die ausländische Unterstützung verlässt und keine großen Anstalten macht, eigene entwicklungsfördernde Projekte umzusetzen. Fraglich ist es meiner Meinung daher, ob die int. Hilfe für Kambodscha nicht teilweise auch kontraproduktiv sein könnte, da sie Gefahr läuft dazu beizutragen aus Kambodscha ein unselbstständiges Land zu machen, das über keine eigenen Mittel und Wege verfügt seine Probleme selbst zu lösen. Näheres Ziel sollte sein, dem Land die Eigenverantwortung zu übergeben, seine Entwicklung selbst weiter voranzutreiben. Für mich erweckt das momentane kambodschanische System eher den Eindruck eines Turbokapitalismus, in dem jeder versucht so schnell wie möglich zu so viel Geld wie möglich zu gelangen. Steuern und andere Abgaben können ohne Probleme durch Korruption umgangen werden und soziale und entwicklungsfördernde Projekte werden entweder von einheimischen NGOs oder ausländischen Initiativen übernommen.

Jetzt möchte ich jedoch noch ein bisschen über unsere Arbeit hier in Kambodscha berichten. Natürlich sind auch wir eine Organisation, die Spendengelder im Ausland sammelt und diese dann hier in Kambodscha für soziale Zwecke ausgibt. Natürlich gilt auch hier der Kritikpunkt, dass wir eine Rolle einnehmen, die eigentlich vom eigenen Staat übernommen werden sollte, nämlich Armut zu bekämpfen und Bildung zu fördern und das die Gefahr besteht, dass der Staat sich aufgrund von Initiativen wie unserer seiner Verantwortung entziehen könnte. Nichtsdestotrotz ist die Arbeit int. Initiativen wie unserer momentan für das Land und die Menschen hier in Kambodscha unheimlich wichtig und nicht wegzudenken. Diese Woche hatten wir Patenschaftsaufzahlungen in zwei Dörfern. Es kamen rund 400 Kinder und Jugendliche, die wir mit Geldbeträgen zwischen 6-12 Dollar unterstützen (es gibt auch Studienpatenschaften, bei denen der Student mehr Geld erhält). Bei jeder Auszahlung wird anhand des Schulbuchs überprüft, ob das Patenkind regelmäßig die Schule besucht (natürlich nur für die Schulpflichtigen der Fall) eine Voraussetzung für das Patenschaftsprogramm, denn es soll dadurch unter anderem garantiert werden, dass mindestens ein Kind der Familie eine Schule besuchen kann. Besondere Leistungen, also Klassenbeste, werden mit einem kleinem Präsent belohnt als Zeichen der Anerkennung für ihre gute Leistung. Bei der Auszahlung werden auch die Patenschaftsbriefe verteilt, die die Eltern aus Deutschland geschrieben haben und die Briefe der Kinder an die Patentern eingesammelt. Diese Mal haben wir zusätzlich von jedem Kind ein Bild gemacht, so dass wir den Pateneltern ein aktuelles Bild ihrer Patenkinder zukommen lassen können. Das Fotografieren war meine Aufgabe und hat mir große Freude bereitet. Die Kinder und Jugendliche sind alle wirklich super süß und freundlich. Man spürt ihre Dankbarkeit für die Arbeit und die Unterstützung, die wir leisten, deutlich. Als weiteres Kontrollinstrument werden wir die Familien besuchen, um festzustellen, ob die Familie wirklich Unterstützung benötigt. Wird nach genauer Prüfung festgestellt, dass die Familie über genügend finanzielle Mittel verfügt, wird den Pateneltern in Deutschland nahgelegt die Patenschaft zu kündigen und lieber eine andere Familie zu unterstützen.
Diese Woche haben wir außerdem die letzten behördlichen Hürden für die zollfreie Verschiffung der gesammelten Englischbücher genommen, so dass diese jetzt in Deutschland verschickt werden können. Glücklicherweise hat die GTZ unseren Antrag auf Transportkostenüberstützung angenommen und übernimmt einen beachtlichen Betrag der Kosten. So sind alle Kosten für den Transport und Verpackung gedeckt und es bleibt noch etwas Geld übrig, um weiter Bücher für die Schule und die Bibliothek anzuschaffen. Ich hatte zudem die Gelegenheit die die Baustelle der Englischschule zu besuchen, der Bau soll Anfang Juni fertig sein und ich hoffe, dass Verena und ich dann auch die Gelegenheit haben werden, für eine gewisse Zeit dort zu wohnen und am Englischunterricht teilzunehmen. Ansonsten gibt es hier und da auch immer noch etwas administrative Aufgaben, wie die Überprüfung der Kalkulation und Dokumentation der Arbeit, Ausgaben etc. Zumal machen wir uns immer Gedanken über eventuelle neue Projekte, die man umsetzen könnte. Eine Idee finde ich persönlich sehr interessant: Wir finanzieren sehr armen und mittellosen Familien, meistens Frau mit Kinder, weil der Ehemann die Familie für eine jüngere Frau verlassen hat, Nutztiere wie Schweine oder Hühner, so dass sie sich eine Lebensgrundlage aufbauen können. Wir würden dafür gerne in näherer Zukunft einmal eine Pilotprojekt durchführen, um das Erfolgspotenzial eines solchen Projektes einschätzen zu können. Das ist jedoch bisher nur eine Idee. Zuerst müssten geeignete Familien gefunden werden und das Projektvorhaben mit dem Verein in Deutschland abgeklärt werden. Ich finde dieses Projekt jedoch sehr spannend, da wir so einer Familie nachhaltig helfen und wahre Hilfe zur Selbsthilfe leisten könnten.

Nächste Woche ist erstmals Khmer New Year, vergleichbar mit Weihnachten und Silvester. Da geht eine Woche eigentlich nichts und die meisten fahren zu ihren Familien aufs Land. Ich werde die Gelegenheit haben mit Dieter und Chantha zu ihren Eltern zu fahren und ein richtiges kambodschanisches Khmer New Year zu feiern. Ich werde Euch auf jeden Fall davon berichten.
Ansonsten geht es mir gut, nur dass ich Verena vermisse und manchmal mit der Hitze zu kämpfen habe (manchmal um die 38 Grad).

Für alle die mich mal anrufen wollen, hier meine kambodschanische Mobilfunknr:
+855 (0)976511124

Antwort auf ein Kommentar:
Ja ich verfolge die Enwicklung in Thailand schon die ganze Zeit, es hat sich immer mehr zugespitzt, bis es gestern zu den schlimmsten Auseinandersetzungen seit 18 Jahren kam. Ich habe nie verstanden, warum in den deutschen Medien verhältnismäßig wenig bis gar nichts zu lesen war.Ist total schlimm was da abgeht. Probleme, die sich meiner Meinung noch Jahre hinziehen werden, die Lager sind dermaßen zerstritten. Ich hoffe es kommt nicht zu einem Bürgerkrieg, aber auch das ist momentan durchaus denkbar. Der Premier Abhisit kann sich im Norden des Landes nicht mehr frei bewegen und ist aus meiner Sicht nicht mehr haltbar.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

sorry alter aber das is mir definitiv zu viel text auf einmal!